Interview mit Tetyana Breurosh, sozialpädagogische Begleitung bei Pro. Hilfe durch Arbeit.

Aus welchen prekären Wohnverhältnissen kommen die Menschen, die du während der Beschäftigungsmaßnahme sozialpädagogisch begleitest?

T. Breurosh: Wir haben Menschen aus ganz verschiedenen prekären Wohnverhältnissen: befristete Mietverträge, teils Personen mit laufenden Kündigungen wegen Eigenbedarf, einige in Therapeutischen Wohngemeinschaften oder Pensionen lebend und damit natürlich auch mit Befristung. Dann sind Menschen bei uns, die sind wohnungslos gemeldet und sind bei Verwandten und/oder Freund*innen untergeschlüpft. Und dann hatten wir eine junge Frau, die während der AGH-Maßnahme im Wohnwagen untergebracht war. Die hatte keine Wohnung und auch keinen Platz in einer Pension. Der Druck ist dann sehr hoch, die Gedanken kreisen um das Thema Wohnen und man kann sich nicht auf die Beschäftigungsmaßnahme konzentrieren.

Können auch obdachlose Menschen über das Jobcenter zugewiesen und bei Pro. Hilfe durch Arbeit beschäftigt werden?

Ja, die Zuleitung kommt dann aus der Zentralen Vermittlungsstelle an der Franziskanerstraße. Wir hatten immer wieder Zuleitungen aus der Vermittlungsstelle von Menschen, die zu zweit und zu dritt im Zimmer in der Pension untergebracht sind. Die Arbeitsvermittler*innen haben die Personen zugeleitet, damit sie die Möglichkeit haben, über die Beschäftigung aus der Pension rauszukommen, soziale Kontakte zu knüpfen und sich langsam auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Durch die AGH-Maßnahme ist ein Einstieg geschaffen und man kann dann über eine Arbeit am 1. Arbeitsmarkt (450 Euro-Job z.B. oder Teilzeitstelle) die Möglichkeit schaffen, eine Wohnung zu finden. Die junge Dame, die im Wohnwagen gelebt hat, hat eine AGH-Maßnahme mit 30 Stunden in einer unserer Kindertageseinrichtungen gemacht, um Geld zu haben, um den Platz für den Wohnwagen zu bezahlen. Denn das Jobcenter hat sich geweigert, den Platz zu bezahlen, da es keinen Mietvertrag gab.

Wie sieht die Unterstützung im Bereich Wohnen konkret aus?

Um noch mal das Beispiel mit der jungen Frau im Wohnwagen aufzugreifen: sie war dann auch noch schwanger und sie hat die Unterlagen für den Antrag auf Arbeitslosengeld II nicht komplett eingereicht. Damit ist sie aus der Leistung gefallen und wir konnten keinen Antrag auf SOWON (Vergabeplattform für Sozialwohnungen in München) stellen. Daher mussten wir zuerst die Anträge für Arbeitslosengeld II ausfüllen und einreichen, damit sie wieder Leistungen bekommt. Parallel habe ich sie an eine Beratungsstelle für schwangere Frauen vermittelt. Und dann den Antrag auf SOWON gemeinsam gestellt. Ich begleite im Arbeitskontext und die Hilfe ist immer sehr individuell. Ich drucke auch manchmal die Unterlagen für die Antragsstellung aus und kläre auf, wie sie alles ausfüllen müssen oder erkläre das Vorgehen auf der Plattform. Während Corona war und ist es sehr schwierig für die Betroffenen, der Bedarf an Unterstützung ist enorm hoch. Sie bekommen keine persönlichen Gespräche in den Ämtern, sie fühlen sich ausgeliefert und haben Angst, auf der Straße zu landen. Ich habe am Anfang auch nicht gewusst, wie die Anträge auf Sozialwohnung auszufüllen sind. Dann war es learning by doing, zusammen mit den Beschäftigten. Und dann habe ich Einzelne zur Wohnungsbesichtigung begleitet, damit sie lernen, wie man sich gut „verkauft“, um eine Wohnung zu bekommen. Wir haben vorab Fragen und Antworten aufgeschrieben, damit sie sich trauen, etwas zu sagen. Und Teilnahmebestätigungen der AGH-Beschäftigung mitgenommen, so dass klar ist, dass die Menschen bei uns beschäftigt sind und dringend eine Wohnung brauchen, um z.B. die Ausbildung zu beginnen u.s.w. Im Fall der schwangeren Frau, die im Wohnwagen gewohnt hat, war es besonders dramatisch. Ab Mitte März 2020 konnte sie in unserer Einrichtung nicht arbeiten, weil die Corona-Pandemie begann. Sie hatte kein Geld, um den Mietplatz für den Wohnwagen zu bezahlen. Es handelte sich um 300 Euro monatlich. Wir haben das Paar mittels Corona-Soforthilfe unterstützt. Somit war der Mietplatz bezahlt und es gab was zu essen. Der Fall war beim Jobcenter gemeldet und wir haben um Unterstützung für das Paar gebeten. Am Schluss hat das Jobcenter ausnahmsweise die Miete für den Parkplatz des Wohnwagens bezahlt. Die junge Frau hat dann schließlich kurz vor der Geburt eine Zwei-Zimmerwohnung gefunden und sie war sehr happy. Es war aber ein sehr langer und stressiger Weg, um das Ziel zu erreichen.

Und das wichtigste ist, ein Helfer*innensystem aufzubauen. Wir können bei Pro. Hilfe durch Arbeit nicht alles an Unterstützung geben, was die Menschen bei der Wohnungssuche brauchen, deshalb werden andere Organisationen miteingebunden. Zum Beispiel auch der Münchener Flüchtlingsrat, der bei Menschen mit Fluchthintergrund und Migrant*innen mit unterstützt und auch aufklärt beim Suchen auf dem freien Wohnungsmarkt und beim Ausfüllen der Formulare. Leider gibt es im Moment nicht so viele Termine und nicht so viele Ehrenamtliche dort, so dass es noch weitere Stellen für ein Netzwerk braucht. Bei Menschen mit psychischen Belastungen vermitteln wir in die Sozialpsychiatrischen Beratungsstellen, die können beim Finden von Therapeutischen Wohngemeinschaften helfen. Und für Frauen die speziellen offenen Beratungsstellen, die bei der Wohnungssuche für Frauen unterstützen.

Was sind dabei gelingende Faktoren und was behindert?

Gelingende Faktoren sind, wenn die Menschen die Situation selber in die Hand nehmen. Ich unterstütze und fördere ihre Selbstständigkeit. Wir setzen auf Empowerment in der Arbeit mit unseren Klient*innen. Ich kann den Prozess koordinieren, aber sie müssen es selber machen. Sie müssen selber alle zwei Wochen auf die SOWON-Plattform gehen und die Wohnungsangebote anschauen, dann können die Unterlagen für die Besichtigung vorbereitet werden. Es dauert oft sehr lange, bis eine Wohnung gefunden ist, bis zu zwei Jahre. Manchmal haben unsere Teilnehmer*innen die Erwartung, dass wir für sie eine Wohnung finden sollen. Das ist nicht unser Auftrag und wir haben auch nicht die Ressourcen dafür. Wenn unsere Teilnehmer*innen mit dem Anliegen „Wohnungssuche“ in die Beratung kommen, arbeiten wir erst an der Auftragsklärung und an der Erwartungsklärung.

Wünschenswert wäre eine Beratungsstelle, die sich konkret mit dem Ausfüllen der Anträge für SOWON befasst. Also genügend Personen, auch Ehrenamtliche, die Menschen, die kaum Deutsch sprechen, gut unterstützen. Das können wir in dem erforderlichen Umfang bei Pro. Hilfe durch Arbeit nicht leisten.

Das nächste ist, dass es Menschen bei uns gibt, die keine (psychiatrische) Diagnose haben und deshalb auch nicht in eine betreute Wohnform kommen können, obwohl es freie Plätze gibt. Die Anbindung an das betreute Einzelwohnen erleichtert den Prozess der Wohnungssuche. Die Betreuer*innen unterstützen die Klient*innen oft dabei.

Neue Wohnungen, auch Sozialwohnungen, entstehen durch die Nachverdichtung in einzelnen Stadtteilen, da wird von Seiten der Stadt etwas unternommen um Wohnraum zu schaffen. Es gibt einfach sehr viele Menschen in München, die eine Wohnung suchen. 

Das Gespräch führte: 

Monika Funk

Sozialpädagogische Leitung
Pro. Hilfe durch Arbeit
Stadtteilcafé - Treffpunkt am Hasenbergl

089 452 235 568

funk@diakonie-hasenbergl.de