Erinnerungen an Zuwendung und Unterstützung

Es sind ganz persönliche Erinnerungen, mit denen ehemals betreute Familien gemeinsam mit Mitarbeitenden und Kooperationspartner*innen, wie u.a. die Teams der Frühen Hilfen, Kind im Blick, Beratungsstellen und Kinderärzt*innen zum Jubiläumsfest zusammenkommen. „Ich erinnere mich gerne an die Erfolge, die wir gemeinsam erreicht haben. Die Ausflüge, die wir gemacht haben und neues entdecken konnten. Und besonders an die intensiven Gespräche mit den anderen Müttern und Fachkräften.“, oder:

„Wir waren am Ende unserer Kräfte. Wir hatten einen sehr holprigen Start mit der Geburt unseres zweiten Sohnes. Er hatte Schwierigkeiten auf der Welt anzukommen, hat sehr viel geweint, brauchte sehr viel Nähe und Zuwendung. Gleichzeitig hatten wir einen zweijährigen Sohn, der uns auch brauchte und uns durch sein Verhalten gezeigt hat: „Hallo, ich bin auch da. Das Baby muss weg!“ Wir wollten so nicht weiter machen und haben uns externe Hilfe gesucht.“

Lena Hummel, Einrichtungsleitung seit 2020, erzählte bei dem Podiumsgespräch bei der Feier, bei welchem alle Mitarbeitenden gemeinsam mit Müttern über die Zeit und die Erlebnisse bei KindErleben sprachen, über eine der vielen Erinnerungen an ihre Arbeit als Gruppenpädagogin: „Ein Erlebnis mit einer Mutter, die vor einigen Jahren zu uns kam, hat mich sehr geprägt. Sie wurde vom Jugendamt geschickt und hat unser Angebot zunächst eher abgewehrt. Nach einem halben Jahr feierte sie Geburtstag bei uns und wir haben in der Morgenrunde dazu gesprochen, was sie sich wünscht. Und sie meinte dann: Wünschen Sie sich etwas für mich! Das bewegt mich heute noch, dieses Vertrauen, was da entstanden ist.“

Seit 1998 finden Familien mit Kindern, die an Regulationsstörungen und Bindungsauffälligkeiten leiden, bei KindErleben Unterstützung. Seit Beginn ist Sabine Pommer bei KindErleben, die psychologische Leitung der teilstationären Gruppe und der Beratungsstelle. Sie hat KindErleben mit aufgebaut, das Konzept weiterentwickelt und trägt die Einrichtung bis heute. Sabine Pommer kennt die Sorgen und Nöte der Familien, die zu ihr und ihrem Team kommen, sehr gut. „Viele unserer Familien haben anfangs Schwierigkeiten die Bedürfnisse ihrer Babys und Kleinkinder zu interpretieren. Mit Neugeborenen, die viel schreien, wird es für sie oft noch komplizierter, da oft ein Teufelskreis entsteht“. Aus dem Kerngedanken „Frühe Hilfen sind wirksame Hilfen“ hat sich das Konzept der Einrichtung vor 25 Jahren entwickelt, das eine intensive Elternarbeit in den Fokus rückt. Veronika Gries, damals Fachdienst der schulvorbereitenden heilpädagogischen Tagesstätte im Haus, hatte die grundlegende Idee für KindErleben. Sie wollte für die Kinder, die zum Zeitpunkt der Aufnahme in eine heilpädagogische Tagesstätte bereits manifeste Symptome zeigen, eine frühere Hilfe anbieten. Statt ausschließlich auf ambulante Hilfen zu setzen, die das Münchner Hilfesystem bietet, rückt KindErleben die frühzeitige Arbeit an belastenden Themen und Interaktionen zwischen Mutter und Kind in einem teilstationären Setting in den Fokus - bevor sich die Belastungen der Kinder zu Symptomen manifestieren und Mütter und Kinder zu Hause isoliert sind mit den Konfliktlagen. „Für viele der Familien, die wir betreuen, ist es alltäglich, dass ihre Kinder nicht schlafen, nicht zu Ruhe kommen, nicht essen, oder vielleicht auch viel schreien. Zum Schlafmangel der Mütter kommt dann häufig die Verzweiflung, dem Kind nicht das geben zu können, was es braucht“, erzählt Sabine Pommer.  

Zu KindErleben kommen Kinder mit klaren Belastungssymptomen, das können Ess- und Gedeihstörungen oder Regulationsstörungen sein, Schwierigkeiten, Emotionen zu regulieren bis hin zu uns Selbst -und Fremdgefährdung. Die Frage, die die Pädagog*innen dabei antreibt ist: Wie schaffen wir es, dass es den Kleinkindern und ihren Müttern besser geht? „Das Nachhaltigste für die Kinder ist, dass die Mütter ihr eigenes Handeln reflektieren, ihre eigene Geschichte reflektieren und sich damit dauerhaft die Beziehung zwischen Mutter und Kind verändert. Wenn es uns gelingt, dies anzustoßen, haben wir viel erreicht.“, berichtet Sabine Pommer. „Ein hohes Ziel, das wir in der Realität nicht immer erreichen, insbesondere dann nicht, wenn die Familien nur wenige Wochen oder Monate bei uns sind. Zeit ist hier ein Gewinn-Faktor, der sich wirklich positiv auf unsere Arbeit auswirkt. Wenn wir bis zu einem halben Jahr oder Jahr mit den Müttern arbeiten, erleben die Kinder und die Mütter andere Beziehungserfahrungen und die Interaktion zwischen ihnen verändert sich.“

Diese Erfahrung teilen die Jubiläumsgäste gerne. „Ich erinnere mich an eine wunderbare Zeit voller Liebe und Zuwendung und Unterstützung von jeglicher Seite. Ich war komplett fertig mit der Welt als ich zu KindErleben kam und erfuhr so viel Zuversicht, dass ich nach knapp einem Jahr mit den Kindern zu Hause bleiben konnte. KindErleben hat mir viel Vertrauen zu mir selbst geschenkt und auch eine andere Sichtweise auf das Verhalten von Kindern gegeben. Ich bin sehr froh, damals selbst den Weg gegangen zu sein und die Hilfe von Sabine Pommer mit all den guten Seelen angenommen zu haben. Wir reden oft von ihnen und haben jederzeit ein Lächeln bei dem Gedanken an Sie im Gesicht.“ Zwar wurde das Einrichtungskonzept in den vergangenen 25 Jahren immer wieder einmal verändert und an die sich wechselnden Bedarfe der Familien angepasst, die intensive Elternarbeit steht noch immer im Mittelpunkt.  

„KindErleben ist Prävention und Intervention. Allein durch das Alter der Kinder wirkt unsere Arbeit präventiv, ich habe unser Angebot aber in einigen Fällen auch als Intervention erlebt, besonders wenn die Familien „spät“ zu uns kommen und bereits zum Beispiel zweieinhalb Jahre gemeinsame Belastungen hinter sich haben. Meist sind es verschiedene Belastungsfaktoren, die die Not der Mutter auslösen, manchmal eigene Beziehungstraumata oder Gewalterlebnisse in ihrer eigenen Geschichte. Wenn es uns gelingt, mit der Mutter diese zu identifizieren und darüber ins Gespräch kommen, wie sich die eigenen Erfahrungen auch auf die Kinder auswirken, dann kommen wir gut voran“, formuliert Sabine Pommer. „Die Mütter entwickeln Vertrauen.“

Große Bedeutung kommt dem teilstationären Setting zu: Das Angebot bei KindErleben baut auf einem strukturierten Tagesplan auf. Jeden Tag kommen acht Mütter mit ihren Babys und Kleinkindern in die Räumlichkeiten im Pfarrer-Steiner-Zentrum im Münchner Stadtteil Hasenbergl. Waren es in den Anfangsjahren Mütter aus dem Quartier im Münchner Norden, so kommen seit einigen Jahren vermehrt junge Familien aus der ganzen Stadt zusammen. Bei KindErleben üben sie gemeinsam einen „normalen“ Alltag mit Kind und lernen, die Bedürfnisse ihres Babys erkennen - und zu beantworten. Jeden Morgen um neun beginnt die Gruppe. Die Mütter kommen mit ihren Babys/Kleinkindern und dem Team der Einrichtung zusammen. „Wir beginnen den Tag mit einer gemeinsamen Morgenrunde. So erfahren die Mütter und auch ihre Kinder ganz nebenbei eine wichtige Struktur, die ihnen hilft, den Alltag zu gestalten. Wir sprechen darüber, was sie sich vom Tag erwarten und lassen die Ereignisse des Vortags noch einmal Revue passieren: Was hat gut geklappt, was war vielleicht stressig und belastend? Die Frauen schildern ihre Empfindungen, lernen gleichzeitig, achtsam mit sich und ihrem Baby umzugehen“, berichtet Lena Hummel. Wickeln, Babymassage oder Körperpflege und das gemeinsame Spiel stehen danach auf dem Plan. Aber auch Ruhephasen sind wichtig. Rituale entwickeln, mit denen die Kinder zur Ruhe kommen und lernen, dass sie schlafen dürfen. Die Mutter-Kind-Paare können bis zu 12 Monate bei KindErleben begleitet werden. In die Einrichtung kommen sie auf Empfehlung des Kinderarztes, aber zunehmend auch auf Initiative von ambulanten Hilfen und Bezirkssozialarbeiter*innen hin.

Eine anstrengende aber erfüllende Arbeit. Die Mitarbeitenden des multiprofessionellen Teams investieren viel persönliche Kraft, und Geduld. Oft müssen sie herausfordernde Situationen aushalten, mit Wut, Angst oder Sorgen der Mütter umgehen und diese auffangen. „Es ist wirklich schön, festzustellen, dass wir eine Beziehung aufbauen können, gerade auch zu den Müttern, die aufgrund vielfältiger Gründe von zuweisenden Stellen wie ambulante Hilfen oder Jugendamt zu uns geschickt werden. Zu merken, wie die Mütter anfangen, zu vertrauen, zu reflektieren und selbst etwas verändern möchten“, fasst Sabine Pommer zusammen.

Ein Vertrauen, an das sich auch die betreuten Familien gerne zurückerinnern:

„Ich erinnere mit gerne an die tollen Frauen, die ihr Bestes geben, an die wunderbaren Momente mit den Kindern. Es waren tolle 6 Wochen, die für uns als Familie ein Beginn in ein neues WIR waren. Wir haben danach nicht aufgehört, und weiterzuentwickeln! Ich bin dankbar, dass wir diese Chance hatten, hier Unterstützung zu bekommen!“

Mehr Informationen zu KindErleben und Erinnerungen gibt es unter www.diakonie-hasenbergl.de/kinderleben