Was bedeutet "arm sein" eigentlich? Armut ist für viele junge Menschen eine langjährige Bekannte. Schon in der Kindheit gab es für sie von Vielem zu wenig.
Im Rahmen der Münchner Armutskonferenz sprechen wir mit jungen Auszubildenden von Junge Arbeit. Was heißt "Armut" für sie?
GAPs - was brauchen junge Menschen in einer teuren Stadt?
Wie geht es jungen Menschen in München, was brauchen sie und was sollte sich ändern? Dazu sind Vertreter*innen von Politik, Verwaltung, sozialen Einrichtungen und Jugend miteinander auf der zweiten Münchner Armutskonferenz "Junge Menschen stärken" am 21. Juli 2021 ins Gespräch gekommen. Wir waren vor Ort und haben uns auch mit Esther Maffei, Stadtjugendamtschefin, zum Themenkomplex Ausbildung - Ausbildungsgerechtigkeit -Arbeitswelt ausgetauscht.
Der Einstieg ins Berufsleben ist für Jugendliche und junge Erwachsene ein wichtiger Schritt für ihre (berufliche) Zukunft. Bedingt durch Corona wurden und werden kaum (Betriebs-)Praktika angeboten und deutlich weniger Ausbildungsverträge geschlossen. Deshalb wurden beim Workshop vor allem junge Menschen mit mehr Unterstützungsbedarf im Übergang Schule Beruf in den Blick genommen. Wo stehen sie, was brauchen sie für einen guten Start ins Arbeitsleben?
Die jungen Erwachsenen aus Junge Arbeit können viel dazu sagen.
Informationen zu den weiteren Workshops gibt es hier. Die Zusammenstellung der Arbeitsergebnisse wird noch etwas dauern.
Was bedeutet "arm sein" eigentlich?
Armut ist für viele junge Menschen eine langjährige Bekannte. Schon in der Kindheit gab es für sie von Vielem zu wenig. Dass soziale Spaltung nicht nur Erwachsene betrifft, wird oft vergessen; dabei wächst jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut auf. In München, einer der reichsten Städte Deutschlands, leben 165.000 Kinder zwischen 0 und 14 Jahren. 21.000 davon bekommen Sozialgeld, weil ihre Eltern zu wenig Einkommen haben. Am stärksten von Armut betroffen sind Kinder aus Haushalten von Alleinerziehenden, Familien mit mehreren Kindern und Familien mit Migrationshintergrund.
Sie haben keine Stimme aber einen erschwerten Start ins Leben.
Für einen Podcast anlässlich der Münchner Armutskonferenz im Juli 2021 haben wir mit jungen Erwachsenen gesprorochen, die eine Ausbildung bei Junge Arbeit absolvieren. Junge Arbeit ist eine Einrichtung der berufsbezogenen Jugendhilfe. Hierher kommen junge Menschen, die aufgrund sozialer Benachteiligung oder individueller Beeinträchtigung einen erhöhten Unterstützungsbedarf bei der beruflichen und sozialen Integration aufweisen. Hier können sie sich beruflich qualifizieren oder einen Beruf erlernen. In einem geschützten Rahmen werden sie dabei sozialpädagogisch begleitet und stabilisiert.
Die jungen Menschen nutzen in der Jungen Arbeit ihre Chance auf eine Teilhabe in der Gesellschaft und ein späteres Berufsleben. Wie lässt sich Armut in ihrem Leben feststellen?
Und hier geht es zu unserem Podcast: Von Vielem zu wenig - Jugendarmut in München.
Leben in München
In München liegen die Lebenshaltungskosten weit über dem Bundesdurchschnitt. Das liegt vor allem am hohen Niveau bei Mieten. München ist attraktiv für top bezahlte Manager*innen. Wer weniger verdient, oder gar auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, spürt das deutlich.
Benachteiligung hat viele Erscheinungsformen, eine entscheidende ist das Wohnen. Auf eigenen Beinen in einer deutschen Großstadt zu leben, ist für viele junge Menschen nicht drin. Wer aus benachteiligten Verhältnissen kommt, hat es noch schwerer, mit 18 auszuziehen. Fast 19 Prozent der Menschen, die 2017 eine Beratungsstelle der Wohnungslosenhilfe aufgesucht haben, waren bis 24 Jahre alt. Bezahlbaren Wohnraum auch für Menschen mit niedrigem Einkommen gibt es in attraktiven Städten wie München nur wenig.
Arm oder reich geboren?
Unbeschwert sein, jung sein oder das Leben genießen – für über 2 Millionen Jugendliche in Deutschland undenkbar. Junge Erwachsene, zwischen 18-25 Jahre, bilden mit 25,8 Prozent die größte Gruppe der von Armut betroffenen Menschen. Weitere gut 20 Prozent (20,5%) in der Armutsrisikoquote sind Jugendliche und Kinder. Damit sind fast die Hälfte aller Armen in Deutschland unter 25 Jahre.
Wer arm geboren ist, kommt in Deutschland kaum raus. Die OECD hat berechnet, wie viele Generationen es braucht, bis ein Mensch über die Armutsschwelle seines Landes aufsteigen kann. In skandinavischen Ländern kann das schon nach zwei Generationen gelingen. In Deutschland und Frankreich dauert es bis zu sechs Generationen, um der Armut zu entkommen. Das sind 150 statistische Jahre.
Arm oder reich geboren – der Start ins Leben bestimmt oft den weiteren Weg. Kinder aus armen Familien müssen sich Bildung härter erkämpfen. Wer dann keine Unterstützung hat, wird schnell abgehängt. Denn der Zusammenhang ist ganz einfach: Je niedriger der Bildungsstand, desto höher die Armutsgefährdung.
Erwachsen werden in einer Pandemie
Die Corona-Krise trifft arme Jugendliche besonders hart. Jungen Menschen, die sowieso schon schwierigere Startbedingungen haben, erschwert die Pandemie das Leben zusätzlich. Das hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit in ihrem Monitor Jugendarmut 2020 festgestellt. Doch was bedeutet Armut? Für die Jugendlichen in unserem Podcast, ist es normal, dass sie weniger Geld zur Verfügung haben. Sie haben gelernt, sich einzuschränken. Sie nutzen ihre Ausbildung als Sprungbrett und sind froh, ein Dach über dem Kopf zu haben, Teil der Gesellschaft zu sein. Sie träumen von einer eigenen Wohnung, einmal in den Urlaub zu fahren. Von einem normalen Leben.